Evelyne Okonnek
Warum ich schreibe?
Warum träume ich?
Warum atme ich?
Warum lache ich?
Warum suche ich?
Scribo ergo sum!
(scribere, scribo, scribis, scribit:
schreiben, zeichnen, aufzeichnen, darstellen)
Von klein auf waren Bücher für mich wichtige Begleiter. Es war spannend und befreiend zugleich, in eine andere Welt einzutauchen, sich in fremde Personen hineinzuversetzen, deren Wesen sich von meinem oft unterschied. Diese Bücher gaben mir Kraft, auch Widrigkeiten des Alltags zu bewältigen. Ich lernte aus ihnen, fand Trost und ein Quäntchen Abenteuer. Leider ging jede Reise mit der letzten Seite unerbittlich zu Ende, ich aber mochte mich noch gar nicht verabschieden. So begann ich, die Geschichten weiter zu spinnen, neue Handlungsstränge und Personen einzubauen. Oft verselbständigte sich das und entfernte sich weiter und weiter von dem ursprünglichen Buch.
Viele Jahre blieb das eine Aktivität, die ich nur für mich im Stillen betrieb. Doch es kam die Zeit, in der ich anfing, neue Geschichten auch für andere zu erfinden, als Geschenk zu besonderen Gelegenheiten. Die positiven Reaktionen ermutigten mich, die negativen — nach dem ersten Schock — ebenfalls. Ein gewisser Trotz, gepaart mit Neugier machte sich breit: Jetzt wollte ich wissen, wie man es richtig angeht.
In Schreibworkshops und Schreibwerkstätten habe ich einiges an Handwerkszeug mitbekommen und nicht zuletzt, dass Kritik am Text nicht mit Kritik an der Person zu verwechseln ist, auch wenn's weh tut. Bis heute erlebe ich den Austausch mit anderen Autoren als hilfreich, sei es, dass man gegenseitig die Texte des anderen auseinander nimmt und ein ehrliches Feedback gibt, sei es, dass man gemeinsam Lesungen organisiert oder versucht, ein Netzwerk aufzubauen.
Die Arbeit am Schreibtisch ist ein wenig einsam und Kontakte mit Gleichgesinnten tun gut, nicht zuletzt weil sie sich oft mit ähnlichen Problemen rumschlagen. Und manchmal sieht man von außen schneller, warum ein Plot oder eine Figur nicht funktioniert.
So nach und nach habe ich auch bemerkt, dass zwischen meinen anderen Tätigkeiten und dem Schreiben eine inspirierende Wechselwirkung besteht. Durch das Spielen in einer kleinen Theatergruppe, wurde ich herausgefordert, mich nicht nur, wie beim Lesen eines Buches, in eine fremde Person hineinzuversetzen, sondern zu versuchen, ihre Eigenart auch auszudrücken und für andere sichtbar werden zu lassen.
Malen, Zeichnen und Fotografieren hat sehr viel mit Wahrnehmung zu tun, mit dem genauen Hinsehen, dem Suchen nach der richtigen Perspektive, und der Frage, welchen Ausschnitt wähle ich, was gehört zum Kern und was lasse ich weg. Diese Überlegungen sind auch bei der Entwicklung einer Figur oder einer Handlung wichtig. Und so wie ich mit Farben und Formen in der bildhaften Darstellung experimentiere und spiele, gewinne ich auch mehr Zutrauen, in meinen Texten ab und an ausgetretene Pfade zu verlassen.
Überraschender Weise hat sogar das Goldschmieden als mein Hobby einen Einfluss auf das Schreiben. Nicht nur, dass meine Gedanken unerwartete Ausflüge machen und mir neue Ideen bringen, während meine Hände mit diffizilen Arbeiten beschäftigt sind. Das unerbittliche Bearbeiten des Metalls erinnert mich an die Überarbeitung eines Textes. Da wird gebohrt, gesägt, ausgeschnitten und gefeilt, bis zum Glühen erhitzt, verschmolzen und ins kalte Wasser geworfen, in Säure gebadet und geschmirgelt. Einer Geschichte ergeht es oft nicht anders, bis sie endlich eine stimmige Form erhält.
Ein erstes, wirklich großes Abenteuer war für mich das Schreiben eines ganzen Romans. Angeregt durch einen Wettbewerb des Ueberreuter Verlages und weil ich dazu eine Idee hatte, machte ich einen ungeplanten Ausflug ins Fantasy-Genre. An Kurzprosa und Lyrik gewöhnt, war es eine neue Erfahrung, mich ausbreiten zu können und ich stellte fest, dass mir die größere Form und auch das Genre unbändigen Spaß machten. Seit ich mich darauf eingelassen habe, mangelt es mir nicht an Ideen und ich bin gespannt, welche Abenteuer folgen werden ...